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Seit Jahren wird gezankt um die Besteuerung von selbstgenutztem Wohneigentum. Links und Rechts konnten uneiniger kaum sein. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache.

Der umstrittene Eigenmietwert ist eigentlich ein Schweizer Unikum. Eines mit langer Tradition dazu: Seit den 1940er-Jahren ist die Eigennutzung von Grundstücken steuerpflichtig. Die Steuerlast wurde jedoch mit der Abzugsmöglichkeit von Schuldzinsen und Unterhaltskosten entschärft. Haubesitzer, insbesondere Neuerwerber, die bei hohen Zinssätzen ihre Liegenschaften hoch belasteten, profitierten durchaus von diesem System.

Der Eigenmietwert hat aber einen üblen Haken: Er wird auf der Steuererklärung zu einem Einkommen, das in Wirklichkeit gar keines ist. Das ist besonders dann nachteilig, wenn die Hypothek weitgehend abbezahlt ist, die Steuerabzüge für die Zinsen also wegfallen. Darob kann die Steuerrechnung äusserst schmerzhaft werden.

Logisch, dass der Eigenmietwert Hauseigentümerinnen aller Couleur seit jeher ein Dorn im Auge ist. Bloss schieden sich an dessen Abschaffung und den damit einhergehenden Bedingungen stets die Geister. Der Hausverein Schweiz vertritt die Haltung, dass der Eigenmietwert abgeschafft werden sollte; allerdings im Gegenzug auch die Steuerabzüge auf Schuldzinsen wegfallen müssen.

Bürgerliche jedoch wollten den verhassten Steuerposten bodigen und gleichwohl von den Abzügen auf den Hypozinsen profitieren. Derweil haben Mietende, die ihre Mietkosten ja auch nicht vom Einkommen abziehen können, im Eigenmietwert eine faire steuerrechtliche Ausgleichsmassnahme gesehen. Und Kantone und Gemeinden fürchteten happige Steuerausfälle, die durch die Allgemeinheit zu kompensieren wären. Entsprechend blieben bislang alle Anläufe zur Abschaffung des Eigenmietwertes erfolglos.

Die aktuellen, rekordtiefen Hypothekarzinsen bedeuten nun, dass Abzüge ohnehin nicht mehr geltend gemacht werden können. Das führte beim Hauseigentümer-Verband HEV zu einem Umdenken und zu Gesprächsbereitschaft. Denn auch mit der Bedingung, dass mit dem Eigenmietwert die Steuerabzüge auf Hyposchulden wegfallen, ergeben sich momentan für die meisten Hauseigentümer Vorteile. Der «reine Systemwechsel» nennt sich das dann.

Steuereinnahmen hängen vom Zins ab

Ohne Steuerausfälle geht es allerdings auch bei ebendiesem «reinen Systemwechsel» nicht. Hausvereins-Vizepräsident und SP-Nationalrat Thomas Hardegger hat den Bundesrat um eine Schätzung angefragt. Antwort: Beim jetzigen Hypthekarzinsniveau von rund 2 % dürften dem Fiskus bei einer Abschaffung sowohl der Abzüge wie auch des Eigenmietwerts jährlich etwa 400 Millionen Franken direkte Bundessteuern entgehen. Die Kantone hätten zusätzlich ebenfalls Ausfälle. Das Minus wäre auf allen Staatsebenen allerdings noch sehr viel höher, fiele der Eigenmietwert, während Schuldabzüge weiterhin möglich wären.

Stiege der Hypothekarzins dagegen auf 3 %, so dürfte die heutige Handhabe und der absehbare Systemwechsel ungefähr gleich viel Steuern abwerfen. «Folglich würden für den Bund bei einem Zinsniveau von 5 % Mehreinnahmen resultieren», lässt der Bundesrat in seiner Antwort auf Hardeggers Interpellation wissen. Und weiter: «Je vollständiger ein Systemwechsel, desto günstigere Rahmenbedingungen werden für eine rechtsgleiche Besteuerung von Wohneigentümern und Mietern geschaffen.» Und schliesslich rechnet der Bundesrat mit einer «administrativen Vereinfachung und damit tieferen Vollzugskosten».

Konsens ist möglich

Diese Einschätzungen haben Potenzial, und es kommt Bewegung in die Sache. So hat neulich die bürgerlich dominierte Wirtschaftskommission des Nationalrats – die eben auch derlei Steuerfragen erörtert – dem Ansinnen des «reinen Systemwechsels» nicht grundsätzlich eine Abfuhr erteilt; allenfalls bezweifelt sie, ob der Zeitpunkt gut ist. Bürgerliche Vertreter haben in Aussicht gestellt, dass sie nicht à tout prix auf den Abzügen beharren, und auch Linke offerieren Handlungsspielraum: etwa wenn Ersterwerbern eine Steuererleichterung gewährt werden soll. Der Eigenmietwert selber – so die einhellige Meinung – soll aber fallen.

Im jetzigen Zinsumfeld scheint ein reiner Systemwechsel mehrheitsfähig. Ob der Politik der Hosenlupf gelingt, steht freilich in den Sternen. Das Aus des Eigenmietwerts war in dessen rund 70-jähriger Geschichte indes noch nie so nah.

Der Autor

Andreas Käsermann

Andreas Käsermann
Journalist

Aus «casanostra» 142

casanostra 142 - September 2017



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