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Mehr Schutz vor Baupfusch ist dringend nötig

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  Do, 14.02.2019

Der Bau oder Kauf der eigenen vier Wände ist ein besonderes Ereignis. Meist ist es die grösste Investition im Leben. Der Traum kann jedoch sehr schnell zum Albtraum werden, wenn die für die Bauarbeiten gewählten Firmen nicht seriös arbeiten.

Die Freude über das frisch erstellte Einfamilienhaus war zunächst gross. Doch als die kühle Jahreszeit nahte, stellte das Hausbesitzerpaar Ernst und Annabelle Freund auf dem Dachboden massive Schimmelpilzbildung fest. Grund war die fehlende Lüftung im ungeheizten Dachgeschoss, das bloss als Abstellkammer diente. Nachdem auch die fünf Nachbarn in einer Eigenheimsiedlung im solothurnischen Erlinsbach in ihren Häusern ähnliche Schäden entdeckten, war klar: Da ist Baupfusch im Spiel.

Die Nachbesserung des Generalunternehmers (GU) brachte keine Resultate. Nun nahmen die Dinge ihren unheilvollen Lauf: Das Paar liess zwei Gutachten durch Fachleute erstellen, die der GU aber schlicht ablehnte. Grund: eine Haftung für Baumängel durch Handwerker oder Lieferanten hatte er im Vertrag ausgeklammert. Auch der Dachdecker sah sich nicht für den Schimmel verantwortlich.

Nach einem monatelangen Patt schaltete das Paar einen Anwalt ein, ohne Erfolg. So blieb nur der Gang vors Gericht. Dieses verlangte eine weitere Expertise. Auf die darin empfohlenen Nachbesserungen verzichtete das Paar, da es diese nur als Flickwerk erachtete. Nach fünf Jahren Hin und Her und nachdem das Paar den Prozess erstinstanzlich verloren hatte, zog es schliesslich die Reissleine, da ihm der Erfolg beim Weiterziehen des Falls zu ungewiss schien.

Das Ganze hinterlässt bei Ernst und Annabelle Freund einen riesigen Frust. Anwälte, Expertisen und die Sanierung auf eigene Rechnung verursachten ihnen Kosten von 90 000 Franken. «Sobald Anwälte und Gerichtsexperten ins Spiel kommen, explodieren die Kosten», sagt Ernst Freund. Seine Lehre: «Wir würden keinen Rechtsweg mehr beschreiten, sondern die Mängel rügen und probieren, eine Einigung mit dem Generalunternehmer zu erreichen. Wenn das nichts bringt: Selber nachbessern. Das geht schneller, spart Nerven und kostet weniger.»

Bei Mängeln das Gespräch suchen

Wie hilflos auch Mieter bei Baupfusch sind, zeigt aktuell ein gravierender Fall im Stadtberner Prestigequartier Schönberg-Ost. Die Baumängel füllen viele Ordner. Betroffen sind fast 60 Mieter in acht Gebäuden (Baufeld D), die aus den erst 2015 fertiggestellten Häusern für Monate ausziehen, da die Liegenschaften gründlich saniert werden müssen. Aber auch die 42 Stockwerkeigentümer von Baufeld B kämpfen seit 2014 mit vielen Baumängeln in ihren Wohnungen.

Gründe für das Fiasko gibt es viele: Laufend wechselte die Bauleitung, die Planer beauftragten die falschen Handwerker, dazu kam der Zeitdruck. Das blieb nicht ohne Folgen: Eingangstüren klemmten, Schimmel trat auf, Dächer waren undicht. Und bei der Montage der Komfortlüftung wurden gar Zu- und Abluftanschlüsse verwechselt. Die Liste der Mängel ist beängstigend lang. Die Eigentümerin der Mietwohnungen (Pensimo AG) steht mit der Baufirma in einem Rechtsstreit. Es geht um viel Geld.

Im Vorgehen der Eigentümer von Baufeld B und D gibt es jedoch Unterschiede: Anders als der Inhaber von Baufeld D haben sich die Stockwerkeigentümer von Baufeld B von Anfang an zusammen mit ihrem Verwalter Michel Wyss, Berater Hausverein Mittelland und Zentralvorstands-Mitglied, und einem Bauexperten das Gespräch mit der Bauleitung gesucht. Verwalter Wyss hat dabei festgestellt, dass man auf der Schiene Gespräch besser vorankommt, als wenn man ausschliesslich auf die Karte des Baujuristen setzt. «Man muss allerdings alle Register ziehen, um zum Ziel zu kommen: Druck aufsetzen und alle Stakeholder, darunter auch die Burgergemeinde Bern als Grundeigentümerin, an Bord holen.»

Baulaien vs. Bauprofis

Die beiden Beispiele Erlinsbach und Schönberg zeigen, wie heikel Bauen sein kann. Eines wird deutlich: Bauen geht ins Geld … Der Bau des Eigenheims ist die teuerste Entscheidung im Leben vieler Bauwilligen. Das Problem: Hier treffen Laien auf Bauprofis. Vielen ist zum Beispiel nicht bewusst, worauf sie sich einlassen, wenn sie den Bau einer Generalunternehmung übergeben, wie aus dem Interview mit Othmar Helbling hervorgeht. Kommt es zu gröberen Baumängeln, wird es schwierig für den Laien. «Manchmal ist ein Verschulden des Architekten und des Bauunternehmers fast so schwer nachzuweisen wie die Kunstfehler des Chirurgen», sagte Luzius Theiler, langjähriger Berner Bauexperte und Gründungsvater des Hausvereins. 60 Prozent der Mängel entstehen laut einer Studie der ETH Zürich bei den Arbeiten auf der Baustelle, 20 Prozent sind Planungs- und 6 Prozent Bauleitungsfehler.

Die ETH Zürich errechnete ferner 2013 Kosten von 1,7 Milliarden Franken für die Behebung von Baumängeln. Das sind circa 8 Prozent der Ausgaben beim Schweizer Hochbau. Seither dürfte die Summe angesichts des Baubooms noch gewachsen sein. Baupfusch ist laut «Spiegel» auch in Deutschland Alltag: Die Bauqualität habe in den vergangenen 5 Jahren markant abgenommen, vor allem in Grossstädten. Ursachen seien der anhaltende Bauboom, Fachkräftemängel und Termindruck. Viele Bauten seien entweder feucht oder undicht; besonders anfällig für Mängel ist die Gebäudehülle.

«Manchmal ist ein Verschulden des Architekten und des Bauunternehmers fast so schwer nachzuweisen wie die Kunstfehler des Chirurgen.»

Mängelrechte an den Bauherren abgetreten

Eine wichtige Quelle des Baupfusch-Schlamassels ist die Praxis von Generalunternehmen, sich per Kleingedrucktem im Vertrag aus der Haftung für Baumängel zu stehlen. Nach Schätzung des Zürcher Baurechtsexperten Peter Reetz trifft das Abtreten der Haftung an den Hausbesitzer in der Hälfte aller Fälle von privatem Wohneigentum zu. Konkret kann das bedeuten, dass der geschädigte Bauherr bei jedem einzelnen Handwerker die Behebung von Mängeln selber einfordern muss. Eine Horrorvorstellung. Anstelle von einem einzigen Vertragspartner, dem er alle Zahlungen geleistet hat, muss er sich unter Umständen plötzlich mit Dutzenden Subunternehmern herumschlagen.

Sehr schlecht geht es jenen Hausbesitzern, bei denen der Generalunternehmer angesichts der Schadensansprüche einfach Konkurs anmeldet. Der geprellte Hausbesitzer geht dabei leer aus. Schützen kann man sich, indem der Generalunternehmer verpflichtet wird, eine Bankgarantie zu stellen. So bleibt dem Bauherrn bei einem Konkurs wenigstens etwas. Ein parlamentarischer Vorstoss des damaligen FDPStänderats Hans Hess verlangte bereits vor Jahren griffige Massnahmen gegen missbräuchliche Konkursverfahren.

Gesetz lässt auf sich warten

Das Thema Baupfusch ist längst auf dem politischen Parkett angekommen. Wer baut, soll besser geschützt werden. Auch der Hausverein Schweiz ist in Sachen Baupfusch aktiv geworden. Eine von der früheren SP-Nationalrätin Hildegard Fässler, ehemals Präsidentin des Hausvereins, vor genau zehn Jahren eingereichte Motion verlangt bei Baupfusch Änderungen im Obligationenrecht zum besseren Schutz der Bauherrschaften. Die geltenden Rüge- und Garantiefristen und die Haftung der Unternehmer für verdeckte Mängel seien zu überprüfen.

Seit Jahren wird nun an einem Gesetzestext herumgefeilt. Immerhin soll jetzt bis Mitte 2019 ein Vorentwurf zur Revision des Bauvertragsrechts in die Vernehmlassung gehen, wie das Bundesamt für Justiz auf Anfrage mitteilt.

Der Autor

Stefan Hartmann

Stefan Hartmann
Journalist BR

Aus «casanostra» 149

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